Ronnie Rocket,
seine Mama und seine Wäsche
Eine ausführliche Story über Österreichs einzigen und unbekanntesten Rockstar Ronnie Rocket hat Thomas Fröhlich in unserer Ausgabe #10 veröffentlicht. Eine Bonusfrage stellte ich ihm an einem frischen Herbstabend bei ihm zu Hause in seiner Space-Höhle in Meidling:
FOTO: © Ursula Röck
Rokko: Warum lässt du dir deine Wäsche noch immer von der Mama waschen?
Ronnie Rocket: Wir schreiben Mittwoch, den 25. September und befinden uns im Verhörraum. Das Verhör beginnt um 22:25 Ortszeit. Es sind keine Rechtsanwälte, Beisitzende oder sonstige Koffer dabei.
Das Bild ist einmal im Monat so: Bahnsteig Franz-Josefs-Bahnhof, Gleis 2, 15:04: Mutter kommt an aus Krems. Bub – also ich – fährt von Meidling zum Franz-Josefs-Bahnhof. Sie kommt an, hat Sonnenbrillen auf, ich komme ihr entgegen, habe auch meine Ray Ban auf. Sie hat eine große Reisetasche in der Hand, eine tragbare, die man umhängen kann – und ich auch. Dann tauschen wir die Taschen aus im Vorbeigehen, jeder geht einfach weiter, dass die Leute blöd schauen.
Dann lache ich, umarme meine Mutter, geb ihr ein Bussi und dann gehen wir immer essen in das Gasthaus gegenüber vom Bahnhof. Da esse ich immer Fleischlaberl mit Bratkartoffeln, weil die krieg ich sonst nie einen Monat lang.
Was in den Taschen ist, ist auch kein Geheimnis: In meiner ist die Schmutzwäsche, in ihrer die reine Wäsche. Weil die Taschen gleich ausschauen, hat sie auf ihrer ein rosa Mascherl, damit, wenn ich sie drei Stunden später wieder zum Zug bringe – weil drei Stunde blödeln wir im Wirtshaus – dass ich nicht wieder meine Schmutzwäsche mit heim nehme. Ist noch nie passiert und ich bin auch noch nie zu spät zum Abholen gekommen, weil das wäre das Schlimmste, was ich meiner Mutter antun könnte: dass sie alleine in Wien auf dem Bahnsteig steht, keiner holt sie ab. Sie hat mittlerweile eh ein Handy, aber ich hab dann meins vergessen. Das letzte Mal war so, genau wie der Zug eingefahren ist, bin ich hineingehirscht und hab mich dann locker hingestellt, so in den Rauchraum, als würd ich schon länger auf sie warten. Dass jemand auf den anderen vergisst, nein, das ist noch nie passiert, das wär unvorstellbar! Das ist der Deal.
Seit zehn Jahren treffen wir uns am Franz-Josef-Bahnhof, aber die Wäsche ist mir schon immer gebracht worden. Früher, wie der Papa noch gelebt hat, haben sie mir die Wäsche immer mit dem Auto hergebracht. Der Papa ist gestorben, die Mutter hat keinen Führerschein, das heißt, es muss so erfolgen. Nach Krems fahren ist für mich nicht drin, das würde zu lange dauern. Dann hab ich Jugenderinnerungen. Dann will ich vielleicht, weil ich schon da bin, irgendeinen alten Kumpel treffen – na, na, na, na, na! Ich schau nicht zurück. Ich bin nur zwei Tage im Jahr in Krems: 23. und 24. Dezember. Am 23. treffe ich jedes Jahr einen Freund, mit dem ich aufgewachsen bin und maturiert habe – der ist jetzt ein Doktor bei der NASA. Und am 24. komme ich nach Hause nach dem Gespräch mit ihm – sagen wir um elf am Vormittag. Und meine Mutter sagt dann: „Was is jetzt mit dir?! Willst du ein Frühstück oder ein Mittagessen?“ „Naja… mit einem Kaffee fang ich immer an – also Frühstück.“ Und dann setzt sie sich zu mir und schaut mich so an: „Sag einmal, glaubst du, dass ich dich heut noch mal nüchtern seh?!“ „Mhhh… na, ich glaub das wird sich nicht ausgehen. Nein, Mutti, tut mir echt leid.“ Dann schenkt sie mir einen Sekt ein und sagt: „Mah, du bist so ein bleda Bua!“
Meine Mutter ist übrigens zu bewundern auf youtube, da ist ein Fünfminutenbeitrag über mich: „Ronnie Rocket – Der unbekannte Superstar“, und meine Mutter hat das letzte Wort. Die Postings sind: „Die Mutter ist der Star!“ Sie sagt peinliche Sachen für einen Rockstar. Aber wir haben ja Selbstironie. Der Regisseur hat mich gefragt: „Soll ich es rausnehmen?“ „Wenn du es reingegeben hast, dann bleibt’s drin. Sicher ist es peinlich, na und?!“ Meine Mutter sagt: „Ja, mein Gott, ha, er braucht sich ja keine Sorgen machen! Wir haben einfach immer geschaut, dass es ihm gut geht, und wenn ich einmal nicht mehr bin, dann erbt er eh die Wohnung – damit kann er machen was er will.“ Boing! Na hallo! Das ist aber nicht cool für einen Underground-Rockstar!
Diese Geschichte mit der Wäsche einem Mädchen zu erzählen, bin ich draufgekommen, da bin ich unten durch. Buben grinsen sich was und denken sich ihren Teil, aber Mädchen schreien: „Bist du deppad worden?! A Mamasöhnchen?! Geh, Ronnie, mit dir…“ Die Geschichte hat mir schon einiges abgeschossen. Aber es geht darum, sie will den Kontakt nicht zu mir verlieren und ich zu ihr nicht. Das heißt, die Idee ist prinzipiell gut, dass man sich einmal im Monat trifft mit einem Grund. Zweitens ich hab hier keine Waschmaschine, ich zahl eh schon 558 Euro im Quartal für einen Kühlschrank und einen Boiler für 50m² - san die angschütt?! Also ich brauch nicht noch irgendein Gerät, für das ich außerdem keinen Platz mehr hätte. Und die Mutter will das, es kann keiner so gut, es ist nie so schön zusammengelegt wie bei ihr, es riecht nie so gut wie bei ihr und es sind keine Flecken mehr drin. Nur bei PU-Schaum hat sie Schwierigkeiten. Da hat sie alles probiert, es ist viel weniger jetzt, es ist auch viel Stoff weg, aber ganz rausgekriegt hat sie ihn nicht.